Die VGF hat die im vergangenen Jahr ausgeschriebenen Straßenbahnfahrzeuge, die in Frankfurt die Typenbezeichnung „T“ erhalten, an den Hersteller Alstom vergeben. Von 2020 an liefert der französische Hersteller insgesamt 43 Straßenbahnen des Modells „Citadis“.
Der Vertrag zum Kauf der neuen Straßenbahnen wurde am 19. Juni 2018 unterschrieben. Ausgeschrieben wurden im vergangenen Jahr 38 Niederflur-Fahrzeuge. Sie enthielt außerdem eine Option zur Beschaffung 15 weiterer Fahrzeuge. Weil jetzt schon absehbar ist, dass die Fahrgastzahlen weiter steigen werden, hat der Aufsichtsrat der VGF im Juni 2018 beschlossen, schon jetzt fünf weitere Fahrzeuge aus der Option zu beschaffen. Damit liegt das Volumen des Auftrags bei rund 113,5 Millionen Euro.
Die Frankfurter Straßenbahn bekommt ein neues Gesicht
Die neuen „Citadis“-Straßenbahnen werden das äußere Erscheinungsbild der Frankfurter Straßenbahn verändern. War das äußerliche Erscheinungsbild der in den letzten Jahrzehnten beschafften Fahrzeuge – wie fast überall in Deutschland – hauptsächlich vom Dreiklang „rechteckig, praktisch, gut“ bestimmt, wechselt die VGF bei den neu bestellen Fahrzeugen zu einem Design, dass die Modernität des Systems Straßenbahn ebenso zum Ausdruck bringt wie die Internationalität der Stadt Frankfurt am Main. Das neue Design wurde von Alstom speziell für Frankfurt entwickelt.
Verkehrsdezernent Klaus Oesterling, der auch Aufsichtsratsvorsitzender der VGF ist dazu:
„Ich bin sicher, dass das neue Erscheinungsbild der Frankfurter Straßenbahn zu einem Markenzeichen der Stadt Frankfurt werden und ebenso die Zukunftsfähigkeit des Systems Straßenbahn zum Ausdruck bringen wird. Wir bedanken uns bei Alstom für das gelungene Design.“
„Citadis“ ersetzen die erste Generation Niederflurstraßenbahn
Mit den neuen Fahrzeugen soll die erste Niederflur-Generation vom Typ „R“, die vor 25 Jahren beschafft wurden, ersetzt werden. Verkehrsdezenent Oesterling sagt weiter:
„Wir werden der aus der steigenden Einwohnerzahl erwachsenden zusätzlichen Nachfrage bis weit ins nächste Jahrzehnt nachkommen können. Bei Bedarf sind wir in der Lage, jederzeit nachzubestellen.“
In diesem Zusammhang sagte der Verkehrsdezernent auch, dass die VGF derzeit eine außerplanmäßige Beschaffung zusätzlicher U-Bahn-Wagen vorbereite. Insgesamt werde die VGF damit – und mit den neuen Straßenbahnen – für die Herausforderungen der Zukunft gerüstet sein.
Es gibt aber auch Anzeichen, dass die VGF vielleicht doch ein gewisse Anzahl an R-Wagen behalten möchte. Ein Anzeichen dafür könnte der Einbau des Fahrerassitenz-Systems sein, dass bisher nur in mehrere R-Wagen der fünf Jahre jüngeren zweiten Serie (Wagen 021 bis 040) eingebaut wurde. Das alles ist aber reine Sekulations des Autors. Eine offizielle Bestätigung gibt es dafür nicht, zumal sich die Beschaffung der T-Wagen bis mindestens ins Jahr 2023 dauern wird. Sicher ist aber, das bestätigt die VGF in ihrem Blog-Eintrag vom 20. Juni 2018, dass wie immer ein oder zwei Exemplare als Museums-Wagen behalten werden.
Neues und bewährtes
Technisch basieren die neuen Straßenbahnen auf der Alstom-Serie „Citadis X05“. Sie erfüllen die neusten Standards und bieten darüber hinaus auch einige Neuigkeiten.
Zu den bisher nicht verwendeten Einbauten gehört das Fahrgastzählsystem. Es kann Erwachsene von Kindern und „zahlende“ Fahrgäste von Hunden unterscheiden. In Zukunft wird die VGF damit viel genauer darüber informiert sein, wie hoch das Fahrgastaufkommen bei Veranstaltungen wie beispielsweise dem Museumsuferfest oder Konzerten ist.
Anders als seine Vorgänger ist der T-Wagen im inneren auf ganzer Länge stufenfrei. Stufen, wie zu den Sitzplätzen in den Kopfenden beim S-Wagen, entfallen also. Der Fahrzeugboden liegt 30 Zentimeter über Fahrbahn. An Haltestellen ohne barrierefreien Bahnsteigen sorgen per Hand ausklappbare Rampen für den Zustieg von Rollstuhlfahrern.
Mit 31,5 Meter ist der T-Wagen rund eineinhalb Meter länger als der Vorgänger vom Typ „S“ und bietet Platz für 197 statt 172 Passaagiere. Sie finden allerdings im neuen Fahrzeug aufgrund einer veränderten Anordnung weniger Sitzplätze vor. Unter anderem entfallen die engen Sitzreihen unmittelbar hinter der Fahrerkabine und auch die Mehrzweckbereiche für Kinderwagen und Rollstahlfahrer werden vergrößert. Dort können Radfahrer auch ihre Fahrräder abstellen, wobei die Frage erlaubt sein darf, weshalb man sein Fahrrad in einer Straßenbahn transportieren muss, statt es für den eigentlichen Zweck der Fortbewegung zu nutzen? Die eineinhalb Meter bieten vor allem aber die Möglichkeit, eine vierte Tür pro Seite einzubauen, wodurch man bei der VGF hofft den Fahrgastwechsel deutlich zu beschleunigen.
Wie auch die anderen beiden Niederflur-Generationen besteht der T-Wagen aus drei Wagenteilen, die mit zwei Gelenken verbunden sind. Der Clou ist, dass die neue Fahrzeugeneration durch ein zusätzliches Mittelteil verlängert werden kann. Darin hätten dann insgesamt 244 Passagiere Platz. Dessen Beschaffung oder Einbau ist aber noch nicht entschieden und steht auch momentan nicht zur Diskussion. Denn für die dann 38 Meter Fahrzeuge müsste die Haltestellen-Infrastruktur angepasst werden. Zwar könnte ein solcher Zug so halten, dass aufgrund der Türanordnung alle Zugänge am barrierefreien Bahnsteig sind, eine stehende Bahn aber über die eigentliche Haltestellenlänge hinaus in Überwege oder Kreuzungen ragen.
Ebenfalls noch nicht entschieden, ist die nachträgliche Ausstattung der Fahrzeuge mit W-LAN. Anders als bei der S-Bahn oder den Regionalzügen hat sich die VGF bisher gegen die kostspielige Nachrüstung der Fahrzeugflotte entschieden.
Nachgerüstet werden könnten die neuen Straßenbahnen auch mit einem Energie-Speicher für einen fahrdrahtlosen Betrieb. Das ist aber noch Zukunftsmusik, denn solche Streckenabschnitte gibt es hier noch nicht. Diskutiert werden sie aber bereits in Wiesbaden für die angedachte City-Bahn oder in München bei der Tramtagente Nord durch den Englischen Garten. Weltweit ist hier Alstom aber Vorreiter, denn 97 Prozent aller „fahrdrahtlosen Kilometer“ fahren Bahnen von Alstom.
Das Rad neu erfinden müssen Alstom und VGF bei der Entwicklung des „Citadis“ allerdings nicht. Wie der S-Wagen verfügt der T-Wagen über vier Drehgestelle mit acht Achsen. Bewährt hat sich das von der VGF entwickelte und weltweit erstmals im Linienbetrieb eingesetzte Fahrerassitsenz-System, dass Kollisionen und Unfälle verhindern, mindestens aber ihre Zahl verringern soll.
Auch der T-Wagen erhält, wie alle ab 2003 gelieferten neuen U- und Straßenbahnen, Klimageräte auf dem Dach und eine Videoüberwachung des Innenraums. Für den Fahrer ersetzen Kameras den Blick durch den Rückspiegel und seinen Arbeitsplatz wurde komfortabler und ergonomischer gestaltet.
Die großen Fensterflächen sorgen zusammen mit der LED-Beleuchtung für angenehme Lichtverhältnisse. Das Wageninnere mit blauen Sitzbezügen, gelben Haltestangen und grauer Wandverkleidung ist aufgeräumt und wirkt großzügig offen. Wie schon beim Vorgänger sind die Sitze der Fahrgäste nicht gepolstert. Hier handelt es sich um einigermaßen vandalismusresistente Hartschalen mit Stoffüberzug.
Ein modernes Fahrgastinformations-System sorgt dafür, dass die Passagiere immer wissen, wo sie sich gerade befinden und wo die Fahrt hingeht. Fahrgastfernsehen, was die VGF bislang noch nicht eingeführt hat, ist ebenfalls möglich.
Erste Alstom-Bahn nach zehn Jahren
Für Alstom ist der Auftrag wichtig. Nach zehn Jahren liefert der französische Hersteller erstmals wieder Straßenbahnen nach Deutschland. Mit über 2.500 Exemplaren in 50 Städten weltweit ist der „Citadis“ ein Erfolgsmodell. Markenzeichen ist das besonders auf die jeweilige Stadt abgestimmte Design. Deutschland ist da trotz der „RegioCitadis“ bei der RegioTram in Kassel eher ein weißer Fleck. In Darmstadt, Magdeburg, Gera und Braunschweig sind mit dem Typ „NGT8D“ ältere Modelle von Alstom im Einsatz. Hintergrund dieser Zeitspanne ist, dass Alstom in vergangenen Jahren vorzugsweise Fahrzeuge für Städte geliefert hat, die ihre Systeme neu aufgebaut haben. Das war in Deutschland nicht der Fall. Die Produktion von Neufahrzeugen für bestehende Netze spielte keine große Rolle.
Alstom zeigte sich hocherfreut über den Auftrag aus Frankfurt. Dr. Jens Sprotte, Leiter Geschäftsbereich Stadtverkehr & Systeme in Deutschland und Österreich:
„Wir freuen uns über das Vertrauen der VGF in die Straßenbahnen von Alstom. Die Stadt Frankfurt erlebt derzeit ein rasantes Wachstum. Alstom ist stolz, mit unseren Fahrzeugen einen attraktiven Beitrag zur Mobilität in Frankfurt leisten zu können. Wir sind sicher, dass wir auch in Frankfurt mit unseren Produkten zur Zufriedenheit der Fahrgäste überzeugen können.“
Ende 2020 rechnet die VGF mit der Lieferung der ersten beiden Fahrzeuge. Danach sollen pro Jahr 15 bis 20 Fahrzeuge ausgeliefert werden. Die ersten neuen Fahrzeuge werden die seit März wieder reaktivierten Pt-Wagen ersetzen.